HBK Braunschweig Rundgang

Freie Kunst, gesamter Rundgang

DIPLOM 'ONE WHITE WHALE' // Fritz Polzer

Betreut von:Candice Breitz
Ort:Geb. 05 / Raum 113
Zeiten:
Besucher*innen sehen:Bildhauerei
Film/Video

Im Frühjahr 2021, gegen Ende des zweiten Covid-Lockdowns, reiste ich nach Sizilien, um Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Augusta zu filmen. Der Hafen wird gemeinsam mit einer Militärbasis genutzt und liegt etwas die Küste runter von Catania, einem wichtigen Stützpunkt für Frontex. Die Kreuzfahrtschiffe wurden dort geparkt, da sie ihren Zweck temporär verloren hatten. Während ich mich um den Hafen herum bewegte und nach geeigneten Aussichtspunkten suchte, wurde meine Bemühungen immer wieder durch eine mysteriöse Bewegung der Schiffe in der Nacht frustriert, die, wenn ich ihre neuen Positionen entdeckte, regungslos, tot und skelettartig blieben, nur gelegentlich brannte ein Licht in einem Kabinenfenster.

ONE WHITE WHALE befasst sich mit der gleichzeitigen Abneigung und Anziehungskraft von Kreuzfahrtschiffen, als Manifestation von dem, was das Leben sein kann oder nicht. Im Spektrum des performativen westlichen, bürgerlichen Geschmacks wird der Kreuzfahrttourismus lautstark abgelehnt. Gleichzeitig übt die bequeme Lebensweise an Bord eine gewisse Anziehungskraft aus, möglicherweise auch eine nostalgische Faszination für eine andere Ära des Reisens die uns alle von Zeit zu Zeit berührt, ob wir es zugeben oder nicht.

Der Titel ist von Laurie Anderson entlehnt, die auf ihrem 2001 Album "Life on a String" eine Geschichte erzählt, in der Sklaven auf einer Plantage in Alabama im frühen 19. Jahrhundert das Skelett eines Wals entdecken und glauben, sie hätten die Knochen eines gefallenen Engels gefunden. Anderson bezieht sich selbst auf "Moby Dick", den "einen weißen Wal in allen Ozeanen", den Herman Melville in seinem Werk als Metapher für den zerstörerischen Marktkapitalismus seiner Zeit verwendet. Die Anspielung soll grundsätzlich die Kreuzfahrtschiffe selbst beschreiben, die in unterschiedlichen Ausführungen den Raum heimsuchen und weder tot noch lebendig an der Oberfläche einer angehaltenen Welt treiben. Im Schatten des Etna, vor der Tür zur Unterwelt der Persephone werden diese Schiffe mit einer Abfolge von Kolonisationen, Besetzungen und Zivilisationen verbunden und sind zu einem Ort der Verschmutzung, Überwachung und Polarisierung geworden.